BLOG

Virtuelle Validierung für die Zertifizierung der Bremsleistung von Schienenfahrzeugen

Virtual validation for certifying the braking performance of rail vehicles

 

Prüfungen für die Zulassung

 

Bevor Schienenfahrzeuge in Betrieb genommen werden, müssen sie umfangreichen Zulassungstests unterzogen werden. Dies gilt insbesondere für die Bremssysteme von Schienenfahrzeugen. Um glaubwürdige und belastbare Aussagen treffen zu können, muss jeder einzelne Test einer ganzen Testkampagne wiederholt unter unveränderlichen Umweltbedingungen durchgeführt werden. Diese physikalischen Tests werden auf speziellen Teststrecken durchgeführt. Sie sind sehr kostspielig, umfangreich und zeitaufwändig. Es wird davon ausgegangen, dass Simulationsmethoden eingesetzt werden können, um diesen Aufwand zu verringern. Dies wird als virtuelle Prüfung bezeichnet und erfordert ein technisch akzeptiertes Verfahren, ein glaubwürdiges und zuverlässiges Modell, die Kalibrierung dieses Modells und ein Minimum an verfügbaren Messdaten. Darüber hinaus besteht die Herausforderung darin, genau die gleichen Sicherheitsniveaus zu gewährleisten, die bei realen Tests erreicht werden, und ein überzeugendes Argument zu liefern, warum Simulationsmethoden für diesen Zweck geeignet sind.

 

Einführung von Virtual Testing

 

Der renommierte Bremssystemhersteller Knorr-Bremse kooperiert mit VIRTUAL VEHICLE, um diese Herausforderungen zu meistern. Es wurde eine spezielle Simulationsumgebung geschaffen, die die Simulation verschiedener Fahrzeugtypen ermöglicht. Darüber hinaus wurde im Rahmen des europäischen Shift2Rail-Projekts PIVOT2 ein Prozess zur virtuellen Validierung von Bremssystemen für Schienenfahrzeuge definiert. Dieser Prozess lässt sich in die bestehenden Entwicklungsprozesse für Schienenfahrzeuge des EU-Eisenbahnsystems integrieren. Vorhandene Messdaten werden zur Kalibrierung und Validierung des Modells herangezogen. Dies ermöglicht virtuelle Tests als neuartiges Werkzeug, das vor und während der Fahrzeugentwicklung eingesetzt werden kann. Diese Initiative wird von internationalen Partnern wie Alstom (Frankreich), Deutsche Bahn (Deutschland), SNCF (Frankreich) und CP (Portugal) unterstützt.

 

 

 

Abbildung 1: Validierung des verwendeten Modells: Die fett gestrichelten Kurven sagen einen Wertekorridor voraus und ergeben sich aus der Ausführung des Simulators mit den ermittelten Parametern. Gemessene Daten mit der gleichen Anfangsgeschwindigkeit liegen innerhalb dieses Korridors.

VVC stellt eine bedeutende Veränderung des EU-Eisenbahnsystems dar

 

Der Ansatz basiert auf bestehenden Normen, die bereits die Anwendung von Simulationsmethoden empfehlen (z.B. EN 14531, EN15595). VVC stellt jedoch eine wesentliche Änderung des EU-Eisenbahnsystems dar. Daher sind auch bestehende Vorschriften betroffen, wie die Technische Spezifikation für die Interoperabilität (TSI) Lokomotiven und Fahrzeuge des Personenverkehrs (LOC&PAS). Aus diesem Grund engagieren sich die genannten Partner auch in relevanten Gremien wie der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA) und NB-RAIL, wo der beschriebene Ansatz derzeit diskutiert wird.

Viele Methoden, Werkzeuge und Prozesse der Eisenbahnindustrie werden derzeit durch den zunehmenden Grad der Digitalisierung vorangetrieben. Die Anwendung von Simulationstechnologien im Eisenbahnsektor wird auch durch laufende Standardisierungsaktivitäten internationaler Konsortien vorangetrieben. Ein Beispiel hierfür ist die CEN-Arbeitsgruppe 55 als Teil von TC256, SC3, die derzeit eine Overlay-Norm vorbereitet, die den Einsatz von Simulation in Eisenbahnnormen und -vorschriften fördert.

 

 

Innovationen für das Eisenbahngeschäft

 

Es wird erwartet, dass die VVC-Innovationen die Kosten für die Inbetriebnahme neuer Fahrzeuge drastisch senken werden. Darüber hinaus wird sich die Zeit bis zur Inbetriebnahme verkürzen, während das derzeitige Sicherheitsniveau vollständig beibehalten wird. Letztendlich wird erwartet, dass diese Innovationen zu einem wettbewerbsfähigeren Markt für Eisenbahntechnik führen werden, der mehr Anbieter von Softwaretools und Simulationsdienstleistungen umfasst, die sich um qualitativ hochwertigere Eisenbahnfahrzeuge und Produkte bemühen.